Posted by andreas from dtm2-t9-2.mcbone.net (62.104.210.101) on Wednesday, January 01, 2003 at 11:38AM :
In Reply to: IraqWar:CriminalChargesVsChancellor Schröder posted by andreas from dtm2-t9-2.mcbone.net (62.104.210.101) on Wednesday, January 01, 2003 at 11:33AM :
[...]
Eine solche Position wird auch durch Dr. Dieter Deiseroth vertreten, wenn er schreibt:
„Wollen dagegen anderweitig in den USA stationierte US-Truppenteile mit Luftfahrzeugen
etwa auf ihrem Weg in den Nahen Osten (Irak pp) in Deutschland lediglich den deutschen
Luftraum benutzen oder zwischenlanden um ... und anschließend – ohne ‚NATO-Auftrag‘ –
in ein Kriegsgebiet außerhalb des ‚NATO-Gebietes‘ weiterfliegen, bleibt es bei der
grundsätzlichen Genehmigungsbedürftigkeit nach allgemeinem Völkerrecht und Art. 57, Abs.
1, Halbsatz 2 ZA-NTS 1994."
Das Truppenstatut und das Zusatzabkommen können also nicht zur Begründung einer
Bündnispflicht Deutschlands herangezogen werden, die Nutzung des deutschen Bodens und
Luftraums und der Militärstützpunkte der USA in Deutschland zur Vorbereitung und
Durchführung eines Militärschlags gegen den Irak zu dulden. Diese Verträge beschneiden das
Recht der Bundesregierung nicht, die Nutzung seiner Häfen und Flugplätze, seines Luftraums
und der den USA zur Verfügung gestellten Militärstützpunkte für einen Militärschlag der
USA gegen den Irak zu untersagen. Die Verwendung deutschen Territoriums durch die USA
verbleibt in der Entscheidungskompetenz Deutschlands.
Auf eine Besonderheit ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen, zumal die Bundesregierung
dies bisher unterlassen hat: Nach Art. 5 Abs. 3 des 2+4-Vertrags dürfen ausländische
Streitkräfte nicht im Gebiet der ehemaligen DDR und Berlins stationiert oder dorthin verlegt
werden. Nach Art. 11 und Anlage 1 des Einigungsvertrages gelten das NATO-Truppenstatut
und die Zusatzvereinbarungen im „Beitrittsgebiet" nicht.
Bilaterale Verträge
Auch die zwei einschlägigen bilateralen Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und den USA, nämlich das Abkommen vom 30. Juni 1955 über gegenseitige
Verteidigungshilfe und das Abkommen vom 15. 4. 1982 über Unterstützung durch den
Aufnahmestaat in Krise oder Krieg können Bündnisverpflichtungen im gegebenen Fall nicht
auslösen. Beide Abkommen beziehen sich auf den NATO-Vertrag und damit nur auf einen
möglichen Verteidigungsfall.
Im Abkommen vom 30.06.1955 über gegenseitige Verteidigungshilfe ergibt sich dies schon
aus der Präambel. Hier ist von der Erhaltung und Fortentwicklung der „gemeinsamen
Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe" die Rede. Ebenso aus Art. II, in dem auf Hilfe
Bezug genommen wird, die die Bundesregierung „gegebenenfalls genehmigt".
Einer genaueren Betrachtung muss das letztere Abkommen unterzogen werden. In Art. 1 heißt
es:.17
„Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika beabsichtigt, im Falle einer
Krise oder eines Krieges im Einvernehmen mit der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland ihre in der Bundesrepublik stationierten vier Divisionen und
dazugehörigen fliegenden Staffeln innerhalb von 10 Tagen um sechs weitere
gepanzerte, mechanisierte und Infanteriedivisionen und dazugehörige fliegende
Staffeln zu verstärken, um in der Bundesrepublik Deutschland nach Möglichkeit bei
Beginn oder erwartetem Beginn der Kampfhandlungen zehn Divisionen und
dazugehörige fliegende Staffeln für eine erfolgreiche Vorneverteidigung
bereitzustellen. Für Zwecke dieses Abkommens stellen die Vertragsparteien
gemeinsam fest, wann eine Krise oder ein Krieg besteht. Die Bereitstellung derartiger
Kräfte ist Gegenstand von Konsultationen zwischen den Vertragsparteien und der
NATO, die gemäß Art. 3 und 5 des Nordatlantikvertrags vom 4. April 1949 geführt
werden.".
In Art. 2 werden Art und Umfang der deutschen Unterstützung detailliert geregelt.
So dubios das Abkommen für einen souveränen Staat auch sein mag: Es soll erstens – wie es
in der Präambel heißt – der Stärkung der „Verteidigungsfähigkeit des Nordatlantischen
Bündnisses". dienen. Das zeigt der Verweis auf die Artikel 3 und 5 des NATO-Vertrages und
auf das Ziel erfolgreicher „Vorneverteidigung". Ein Militärschlag der USA wäre – wie
ausgeführt – kein Verteidigungsfall, auch kein Fall von „Vorneverteidigung". Zweitens
enthält das Abkommen keinen Automatismus dergestalt, dass die Aufstockung der US-Streitkräfte
im Einzelfall keiner deutschen Genehmigung bedürfte. Es heißt, dass die
Verstärkung der Präsenz der US-Streitkräfte „im Einvernehmen mit der Bundesrepublik
Deutschland" erfolgt. Die Bundesregierung kann die Genehmigung auch verweigern bzw. die
Aufstockung untersagen. Drittens gilt auch hier der Einwand, dass es sich um ein
Folgeabkommen zum NATO-Vertrag handelt, das für Aktionen außerhalb des NATO-Vertrages
nicht anwendbar ist. Und viertens ist daran zu erinnern, dass kein Abkommen dazu
dienen kann, eine Pflicht Deutschlands zur Duldung, Unterstützung oder sogar aktiven
Teilnahme an völkerrechtswidrigen, aggressiven Handlungen der USA von deutschem Boden
aus zu begründen.
Beide Abkommen beziehen sich somit nicht auf die Unterstützung von Militärschlägen der
USA sondern auf die Stärkung der Verteidigungskraft. Sie anerkennen die
Entscheidungsbefugnis der Bundesrepublik Deutschland, können also nicht als Rechtfertigung
der mittelbaren sowie unmittelbaren Teilnahme Deutschlands am Angriffskrieg der USA
gegen den Irak dienen.
Nach allgemeinem Völkerrecht dient kein Abkommen zur rechtlichen Legitimation von
völkerrechtswidrigen Handlungen. Hierauf kann demgemäß auch keine Pflicht Deutschlands
zur Duldung, Unterstützung oder Teilnahme an völkerrechtswidrigen, aggressiven
Handlungen der USA gegründet werden. Es gibt keine völkerrechtlichen Beistandspflichten
gegenüber einem Staat, der einen Aggressionskrieg vorbereitet und durchführt. Absprachen
zwischen Deutschland und den USA, die dem entgegen stehen, sind nach Art. 53 des Wiener
Übereinkommens vom 23. 5. 1969 wegen Verstoßes gegen eine zwingende Norm des
allgemeinen Völkerrechts nichtig. Art. 103 der Charta lautet:
„Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus
dieser Charta und ihren Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften,
so haben die Verpflichtungen aus dieser Charta Vorrang.".18
Verpflichtungen Deutschlands aus Übereinkünften im Rahmen der NATO oder mit den USA,
deutsches Territorium für einen Krieg der USA gegen den Irak zur Verfügung zu stellen,
widersprächen – so es sie gäbe – den Verpflichtungen Deutschlands aus der Charta, die
vorrangig zu erfüllen sind.
Der Anzeigende legt Wert darauf, dass der Generalbundesanwalt den vorstehenden
Sachverhalt unter allen strafrechtlichen Gesichtspunkten prüft, insbesondere dem der
Vorbereitung eines Angriffskrieges gem. § 80 StGB und ein Ermittlungsverfahren einleitet.
Dr. Kenzler
Rechtsanwältin
-- andreas
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